DANIELA ZESCHKO
Projektleiterin
Es gibt sie weltweit, ein Laster kann sie problemlos überfahren, ohne dass sie auch nur einen Kratzer abbekommen, man sieht sie vom Weltall aus und sie können enorme Mengen an Wasser speichern. Dass es hier um Moose geht, wissen nur wahre Experten und Expertinnen, seit Kurzem alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Veranstaltung „Den Moosen auf der Spur“ – und jetzt auch Sie!
Am 13. September 2024 trotzten viele Interessierte dem winterlichen Wetterumschwung und fanden sich bei frostigen sieben Grad und Regen im Naturerlebnispark Spielbergweg ein. Auf dem Tisch, unter der hölzernen Pergola, warteten alle Anwesenden – inklusive der vorbereiteten, noch ein wenig nassen Moose – auf die Expertin Martina Pöltl. Schwungvoll kam die sympathische Moosfachkundige dann um die Ecke, lachte alle an und freute sich, die vorbereiteten Moose auf dem Tisch zu sehen. Es ist augenscheinlich, dass Martina Pöltl und die Moose zusammengehören. Die Expertin strahlte, wenn sie über ihr Fachgebiet erzählte – und die Moose strahlten in einem satten Grün zurück.
Ein Blick auf die Geschichte und auf Österreich
Viele Mooskundige gibt es nicht in Österreich, man kann sie laut Martina Pöltl tatsächlich an zwei Händen abzählen – es sind deren sechs. Überhaupt scheint das Interesse an diesen faszinierenden Pflanzen immer wieder in Vergessenheit geraten zu sein. Gab es in der Antike schon Menschen wie Theophrastos von Eresos, ein Schüler von Aristoteles, der sich mit den Moosen beschäftigte, so fand die nächste Hochzeit der Moosforschung erst wieder in der Renaissance statt. Im 16. Jahrhundert lieferten Otto Brunfels (1488–1534), Leonhart Fuchs (1501–1566) und Hieronymus Bock (1498–1554) in Deutschland erstmals eine Beschreibung und Abbildungen der Pflanzen.
In Österreich gibt es dazu bis dato nichts. Das ist aber nicht mehr lange so, denn Martina Pöltl arbeitet aktuell mit anderen Fachkundigen an einer Veröffentlichung. Das Bestimmungshandbuch für Moose in Österreich wird voraussichtlich im Jahr 2025 erscheinen. In Österreich haben wir eine FFH-Richtlinie (Flora-, Fauna-, Habitat-Richtlinie), die einige Moose unter Schutz stellt. Zudem existiert in manchen Bundesländern eine rote Liste zum Schutz der Moose – und in der Steiermark: Fehlanzeige. Auch hier sind die Bryologen und Bryologinnen dran, das schleunigst zu ändern.
Die Geheimnisse der Bryologie
Was ist nun aber die Bryologie? Es ist die Wissenschaft von den Moosen. Das Wort leitet sich von „bryon“ ab – das ist das lateinische Wort für Moos. Richtig: Moose gab es schon zur Zeit der alten Römer und weit davor! Moose existieren tatsächlich schon seit ca. 400 Millionen Jahren auf unserem Planeten. Damit gehören sie zu den ältesten Pflanzen. Gleich nach den Algen besiedelten sie die Erde. Man findet sie beinahe überall auf der Welt. Womöglich kamen sie deswegen an Land, weil ihnen das Salzwasser nicht schmeckte. Heutzutage kommen Moose nämlich überall vor – nur nicht in Salzwüsten und an Klippen am Meer. Die Erklärung könnte sein, dass Moose kein Salz mögen. Sonst sind sie in ihrer Standortwahl zwar wählerisch, also spezifisch. Es gibt allerdings auch Arten, die sich wirklich überall ansiedeln. Salzig soll es halt nicht sein. Plastik, Glas, Keramik, Metall, Holz, Erde, Stein – das alles ist kein Problem. Dort wachsen überall Moose, wenn die Bedingungen stimmen.
Was brauchen Moose zum Wachsen? Feuchtigkeit. Sie können ja auch schließlich das 20-Fache ihres eigenen Gewichts an Wasser speichern. Und wie vermehren sie sich? Mit, aber auch ohne Sex, wurde uns von Martina Pöltl zu unserer großen Verwunderung erklärt. Wie das funktioniert? Aus allen einzelnen Teilen der Pflanzen können einfach so neue Pflanzen wachsen. Zusätzlich können die Moose auch Früchte ausbilden, die Samen enthalten und sich so sexuell vermehren. Martina Pöltl ortet darin den Grund dafür, warum es die Moose schon so lange gibt und warum sie so erfolgreich sind. Ein zweiter Grund ist wohl ihre Widerstandsfähigkeit. Ein Moos bringt nichts so schnell um, könnte man sagen. Trocknet es aus, zieht es sich zusammen und wartet darauf, bis wieder einmal Feuchtigkeit daherkommt. Das darf dann auch schon Jahre dauern – kein Problem.
Rätselhafte Moose
Physikalisch geben diese Pflanzen der Wissenschaft Rätsel auf. So ist es völlig unklar, warum zum Beispiel ein Lastwagen über ein Moos fahren kann und die Pflanze trotz der hohen Belastung völlig unversehrt bleibt. Keine Risse, keine Quetschungen, keinerlei Verletzungen. Sie scheinen bis auf die kleine Salzschwäche wirklich unverwundbar zu sein. So robust und stabil sind sie, dass sie nun auch auf dem Weg ins Weltall sind, wie uns die Expertin erzählte. Forschungsmissionen haben begonnen, Moose auf Raumstationen zu bringen. Martina Pöltl ist überzeugt: „Die Mission könnte man sich wohl sparen, das klappt nämlich ganz sicher. Warum sollten die Moose mit den Bedingungen im Weltall nicht zurechtkommen?“ Apropos Weltall: Von dort aus sieht man angeblich die grauen Moose Islands, die die ganze Insel überzogen haben. Last but not least sei erwähnt, dass es drei Gruppe an Moosen gibt: die Laubmoose, die Lebermoose und die Hornmoose. Die größte Gruppe sind die Laubmoose, gefolgt von den Lebermoosen und den Hornmoosen – davon gibt es nur sehr wenige.
Die Moose warten auf Sie
In Summe finden sich an die 1200 Moosarten in Österreich – stattliche 72 Arten wurden schon im Naturerlebnispark Spielbergweg gefunden und kartiert. Das Zypressenschlafmoos (Hypnum cupressiforme) ist das am weitesten verbreitete Laubmoos und trägt seinen Namen, weil vor vielen, vielen Jahren diese Moosart verwendet wurde, um Pölster auszustopfen. Warum? Vermutlich weil es überall leicht verfügbar war. Diese und viele andere Geheimnisse gibt es also rund um die Moose zu erkunden. Wer selbst darauf einmal Lust hat, kann zum Moos- und Flechtenstammtisch kommen. Alle sind dort willkommen – Experten und Expertinnen, aber auch Laien und Interessierte, Kinder und Erwachsene. Infos, wann die Stammtische stattfinden, gibt es bald hier. Vielleicht sieht man sich ja dort oder im Naturerlebnispark Spielbergweg einmal, wo die Moose auf Sie warten. Herzlichen Dank an Martina Pöltl für die vielen Infos und an alle Beteiligten für die tolle Veranstaltung.