HELENE LÖWENHERZ
Gibt es in Österreich Schildkröten? Warum haben Reptilien kein Fell? Woran erkenne ich eine giftige Schlange? Diese und andere spannende Fragen beantwortete der Biologe Frank Weihmann vom Naturschutzbund beim Reptilien-Workshop im Vincke-Steinbruch Anfang Mai.
In Österreich gibt es 14 verschiedene Reptilienarten: sieben Schlangen, fünf Eidechsen, eine Schleiche und eine Schildkröte. Gleich vorweg: ALLE davon sind geschützt und auf der Roten Liste als mehr oder weniger gefährdet eingestuft. Das liegt hauptsächlich an einem Mangel an geeigneten Lebensräumen. Reptilien brauchen viel Platz – eine einzige kleine Zauneidechse braucht etwa 1000m² mit Versteckmöglichkeiten in Hecken und Totholz, geschützen felsigen Sonnenplätzen und sandigen Flächen für die Eiablage. Ringel- und Würfelnattern brauchen zusätzlich naturbelassene Gewässer für die Jagd. Wer also Schlangen oder Eidechsen im eigenen Garten antrifft, darf sich glücklich schätzen, denn sie stehen für intakte, naturnahe Lebensräume mit hoher Artenvielfalt. Außerdem fressen Reptilien weniger gern gesehene Gäste wie Mäuse, Ratten und Schnecken.
Reptilien sind Kinder der Sonne. Sie brauchen ihre Wärme, weil sie sie – anders als die flauschigen Säugetiere – nicht selbst erzeugen können. Über ihre glatte Haut nehmen sie wärmendes Sonnenlicht auf, um zu verdauen und um auf „Betriebstemperatur“ zu kommen. Sie brauchen auch Sonne, um ihre Eier auszubrüten (außer die Ringelnatter, die für letzteres gerne die Wärme in Komposthaufen nutzt). Die Temperatur bestimmt sogar, welches Geschlecht die Nachkommen haben: unter 28°C schlüpfen aus den Eiern Männchen, über 30°C werden es Weibchen. Wird es kalt, werden Reptilien unbeweglich. Die kalte Jahreszeit verbringen sie gut versteckt in Winterstarre.
Der Vincke-Steinbruch mit seinen sonnigen Schotterbänken, Waldsäumen und Wiesenflächen ist eigentlich prädestiniert für Reptilienbeobachtung. Um sie den 22 neugierigen Teilnehmern „live“ zeigen zu können, hatte Frank Weihmann bereits ein Monat zuvor an zehn Plätzen schwarze Wellbleche ausgelegt. Diese Reptilien-Spots wurden auch beim Bau des Murkraftwerks eingesetzt, um die Tiere anzulocken und vor den Baumaschinen zu retten. Leider kam es bei unserem Workshop zum Vorführ-Effekt und es fand sich keine einzige Eidechse in den ausgelegten Verstecken. Also packte der Biologe seine Gurkenglas-Sammlung aus und zeigte uns (fein säuberlich konserviert) Smaragdeidechse, Zauneidechse, Bergeidechse, Mauereidechse, Blindschleiche, Äskulapnatter und Co. aus nächster Nähe. Zu jedem Exemplar gab es übrigens eine Geschichte – die Zauneidechse etwa war vor den Augen des Biologen am Murradweg von einem Radfahrer überfahren worden.
Neben der Äskulapnatter, die nach Asklepios, dem griechischen Gott der Heilung benannt ist (der Schlangenstab ist heute bei uns das Symbol der Ärzte und Apotheker), gibt es in Österreich noch die Ringelnatter, die Würfelnatter, die Schlingnatter, sowie die beiden Giftschlangen Kreuzotter und Hornotter. Diese sind übrigens ganz leicht zu erkennen: Die Pupillen der Giftschlangen sind senkrecht, die der ungiftigen Nattern rund. Die Blindschleiche ist keine Schlange, sondern eine Art Eidechse ohne Beine, denn sie hat wie die Eidechsen Augenlider (Schlangen haben keine) und ihr Skelett hat rudimentäre Becken- und Schultergürtel. Außerdem kann sie wie Eidechsen ihren Schwanz bei Gefahr abwerfen, um Fressfeinde damit abzulenken.
Und ja, in Österreich, genauer gesagt in Niederösterreich ist auch die Sumpfschildkröte heimisch. Diese war im Mittelalter sogar eine beliebte religiöse Fastenspeise und wurde aus Osteuropa importiert und in Massen auf Fischmärkten verkauft. Auf der Riegersburg gibt es alte Tümple, wo nachweislich Schildkröten vor dem Verspeisen zwischengelagert wurden. Leider werden heute immer wieder aus Amerika stammende Schmuckschildkröten, die einen auffällig gelb gestreiften Hals mit einem roten Fleck haben, bei uns ausgesetzt, die die Sumpfschildkröten verdrängen. Wer eine solche findet, kann sie bei der Organisation „Turtle Island“ abgeben.
Wir bedanken uns herzlich bei Frank Weihmann vom Naturschutzbund für diesen zoologischen Exkurs!