Wie die Natur sich ihren Raum zurückerobert, wenn man sie lässt, können seit diesem Sommer Besucher*innen im ehemaligen Vincke-Steinbruch am Fuße des Buchkogels im Bezirk Wetzelsdorf erleben. Jahrzehntelang fuhren dort große Laster herum, es wurde gesprengt und Baumaterial in allen Größen vom Kiesel bis zum mannshohen Flussbaustein abgebaut. Vor etwa dreißig Jahren wurde der Steinbruch stillgelegt und die Natur sich selbst überlassen. Heute wächst auf dem fast vier Fußballfelder großen Gelände eine erstaunliche Artenvielfalt an Pflanzen wie Natternkopf, Johanniskraut, Ochsenaugen, gelbe Skabiosen, Königskerzen und viele mehr, die wiederum über 20 verschiedene Wildbienenarten anlocken. Der Wald rund um die ehemalige Steinbruchfläche ist dicht und grün, es wachsen Buchen, Ebereschen und Robinien. Füchse, Rehe, Hasen, ein Ringeltaubenpaar, Eichelhäher und vermutlich ein Uhu leben hier.
Wie schön und heilsam ein Aufenthalt in diesem Naturraum sein kann, davon zeugt die Nutzungsgeschichte des Geländes. Bevor es die Unternehmerfamilie Vincke während des Zweiten Weltkriegs kaufte und einen Steinbruch daraus machte, war es nämlich ein Luftkurort. Der Nervenarzt Dr. Ignaz Scarpatetti betrieb ab 1902 das Sanatorium Schweizerhof in der angrenzenden Krottendorfer Straße und ließ seine betuchten Gäste, die vermutlich zum Teil an Tuberkulose litten am Areal des heutigen Naturerlebnisparks zur Erholung lustwandeln.
2017 kaufte die Stadt Graz das Gelände im Rahmen ihrer Grünraumoffensive. Die Abteilung für Grünraum und Gewässer unter der Leitung von Robert Wiener und der Projektleiterin Brigitte Grießer entwickelte gemeinsam mit Naturschutzorganisationen, Geolog*innen, städtischen Behörden und Wissenschaftler*innen ein Funktions- und Nutzungskonzept für das 7.700 Quadratmeter große Gelände. Seit letztem Jahr ist die Natur.Werk.Stadt des Naturschutzbundes Steiermark mit Unterstützung der Stadt Graz, dem Land Steiermark und dem AMS damit betraut, den von der Natur zurück eroberten Steinbruch als Naturerlebnispark zu pflegen und für alle Grazer*innen zugänglich und erfahrbar zu machen. Projektleiterin Daniela Zeschko betont, dass dieser Raum kein actionreiches „Disneyland“ werden soll, sondern ein Ort, an dem sich die Natur ungestört entwickeln kann und ihre Schätze für Besucher*innen sichtbar und erlebbar sind.
Alle 370 Kinder der nahe gelegenen Volksschule Peter Rosegger und alle Gruppen des Kindergartens Christkönig haben bereits Workshops der Natur.Werk.Stadt im Steinbruch besucht und dabei Riesenmikado gespielt, Blind Lines begangen und Insekten mit Becherlupen bestimmt. Bei einem kostenfreien Mitmach-Workshop führte der Zoologe Karim Strohriegl in die Welt der Wildbienen ein. Ein eigens eingerichteter Postkasten für „Briefe an den Eichelhäher“ lädt Kinder ein, Fragen zu stellen – ein Antwortschreiben wird garantiert! Beim „Schmetterlingsleuchten“ organisierte die Natur.Werk.Stadt im August eine besondere Veranstaltung, bei der die nachtaktiven Insekten des Steinbruchs ins Rampenlicht gerückt wurden und Interessierte im Naturerlebnispark gemeinsam mit Expert*innen vom Naturschutzbund Steiermark in die Welt der Nachtfalter eintauchen durften.
Neben den betreuten Öffnungszeiten bietet die Natur.Werk.Stadt laufend öffentliche Veranstaltungen zur Naturbeobachtung und Workshops mit thematischen Schwerpunkten an.
Die nächsten Veranstaltungen im Naturerlebnispark Spielbergweg sind:
Freitag, 22.09.2023 von 9.00 – 11.00 Uhr: Flora im Steinbruch für Einsteiger*innen mit Daniela Zeschko
Montag, 25.09.2023 von 16.00 – 17.30 Uhr: Flora im Steinbruch mit der Expertin Melitta Fuchs und Daniela Zeschko
Freitag, 13.10.2023 von 10.00 – 11.00 Uhr: Käfer im Steinbruch mit Biologin Laura Pabst
Montag, 16.10.2023 von 16.00 – 17.00 Uhr: Fledermäuse im Steinbruch mit Biologin Laura Pabst
Ankündigungen finden sich auch an der Infotafel am Eingang Spielbergweg oder unter www.naturwerkstadt.at. Veranstaltungen entfallen bei Schlechtwetter.
Derzeit ist der Naturerlebnispark Spielbergweg jeden Montag von 15 bis 18 Uhr und jeden Freitag von 8 bis 13 Uhr geöffnet.