Klassisch produzierte Textilien vertragen sich mit unserer Umwelt nicht sehr gut. Die Belastungen sind weitreichend: Von verschmutzten Flüssen (durch das Färben mit Chemikalien) über einen exorbitanten Wasserverbrauch bei der Produktion von Baumwolle bis hin zu hohen CO2-Emissionen und einem großen Verbrauch an Rohöl für Synthetik-Textilien ist da alles dabei, worauf wir – im Sinne des Naturschutzes – gerne verzichten würden.
Zwischen sechs und neun Billionen Liter Süßwasser, das entspricht in etwa der Menge von zwei Millionen mit Süßwasser gefüllten olympischen Schwimmbädern, werden jährlich von Färbereien verbraucht. Drei Viertel davon ist am Ende untrinkbares, giftiges Abwasser – eine Brühe aus Farbstoffen, Salzen, Alkalien, Schwermetallen und Chemikalien. Nun könnte man fordern, dass das Färben von Stoffen sofort eingestellt wird und wir uns auf Naturlooks einstellen: Färbereien allerdings sind seit den 1970er Jahren eine der wichtigsten Beschäftigungs- und Einkommensquellen der Schwellenländer. Rund 81 Prozent der Exportwirtschaft Bangladeschs bestehen beispielsweise aus Bekleidung. Würde man Färbereien weltweit einstellen, wären davon zu 80% Frauen von den wirtschaftlichen Folgen betroffen. Lösungen müssen also breiter gedacht werden. Eine Möglichkeit wäre, altes Handwerk und alte Techniken wieder aufleben zu lassen: etwa das Färben mit natürlichen Materialien. Allerdings entsteht auch hier eine Herausforderung: In den Mengen, in denen Färbemittel gebraucht werden, würde der Anbau natürlicher Färbemittel enorme Ressourcen verbrauchen.
In der Natur.Werk.Stadt verfolgen wir eine Kombination aus mehreren Lösungsansätzen: Kreislaufwirtschaft, also die Weiterverwendung von Produkten, das Aufleben-Lassen alter Handwerkstechniken, die im Einklang mit der Natur stehen, und die grundsätzliche Überlegung, wofür etwas produziert wird.
Ein Beispiel: Für die Herstellung von Einkaufstaschen aus Stoff benötigen wir Material. Aus einer Wohnungsauflösung wurden uns alte Leintücher zur Verfügung gestellt. Es ist Ende Juli, also trägt der große Hollerbusch im Garten bordeauxrote Früchte, zur Saftgewinnung sind die Beeren schon zu trocken, zum Färben von Stoff eignen sie sich aber noch gut. Kurzerhand wird also der Busch abgeerntet – bis auf den Teil ganz oben, den wir den Vögeln als Nahrung übrig lassen. Die Beeren werden in Säckchen verpackt, dafür verwenden wir alte Vorhangstoffe. Diese Päckchen werden in einem Topf ausgekocht. In diese wohlriechende Brühe kommen dann die zu färbenden Stoffe und werden dort ein wenig gekocht. In einem letzten Schritt wird die Farbe in einem Bad aus Essig und Salz im Stoff fixiert. Und fertig!
Kommen in der konventionellen Herstellung von Textilien auf ein Kilogramm Stoff rund ein Kilogramm Chemikalien, die aus einem Potpourri von rund 6500 verschiedenen chemischen Substanzen stammen, so sind es bei uns die Früchte vom Hollerbusch, die unseren weißen Stoff neu einfärben. Und: Durch die Wiederverwendung von Altstoffen leisten wir zusätzlich einen wertvollen Beitrag zum weltweiten Schutz von Insekten – werden doch 16% aller Pestizide in der Produktion von Baumwolle verwendet.
Rückblick: Stoffe färben mit der Natur